Gottfinder
(Aus dem Vorwort)
… Dass die vorgestellten Dichterinnen und Dichter nach ihrer Bekehrung bestrebt waren, dem Klang des Evangeliums auch in ihrem Werk eine Stimme zu verleihen, überrascht nicht. Denn das existentielle Angesprochensein von Gott war für sie weder eine Randnotiz noch eine akademisch-philosophische Angelegenheit, über die sich unverbindlich diskutieren ließe, sondern dieses Angesprochensein von Gott war für sie ein zutiefst erschütterndes Ereignis. Was dieses Ereignis für sie jeweils bedeutete – hinsichtlich der Konsequenzen, die sich daraus ergaben –, das wird in diesem Buch dargestellt. Es werden allerdings auch Dichterwege zu Gott aufgezeigt, für die nicht ein bestimmter Ort oder Zeitpunkt ausschlaggebend war, sondern die – von einer gewissen Kontinuität geprägt – durch ein christliches Elternhaus ihren Ausgangspunkt nahmen.
So beschreibt dieses Buch ganz unterschiedliche Weisen der Gottfindung, die Dichterpersönlichkeiten dazu bewog, das Wagnis des Glaubens einzugehen und aus der erfahrenen Kraft und Orientierung dem eigenen Leben eine neue Ausrichtung zu geben. Doch weil es dabei um einen dynamischen, letztlich nicht erklär- und verfügbaren Prozess geht, könnte man die vorstehende Aussage auch umkehren und feststellen, dass sich die in dem Buch porträtierten Autorinnen und Autoren von Gott haben finden lassen und seinem Anruf nicht ausgewichen sind, sondern sich ihm gestellt haben. Was für sie einen Perspektiv- und Paradigmenwechsel zur Folge hatte, verbunden mit der beglückenden Erfahrung, von der Augustinus berichtet, wenn er schreibt: „Ruhelos ist unser Herz, Herr, bis es ruht in dir“. – Wie wechselvoll Lebenswege allerdings auch verlaufen können, zeigt das Beispiel Reinhold Schneider …
Matthias Hilbert
Besprechung von Urs Buhlmann
Matthias Hilbert hat nach seinem erfolgreichen Sammelband „Gottsucher“ mit zwölf Dichterporträts ein neues Eisen im Feuer: Wer Gott sucht, findet ihn oder wird von ihm gefunden: Die „Gottfinder“ sind wiederum ein gutes Dutzend Schriftsteller und Dichter. Erneut sind bekannte Namen vertreten (Augustinus, Paul Claudel, T. S. Eliot, Blaise Pascal, Karl May), wie auch einige, die – meist zu Unrecht – aus dem Blick geraten sind (Willy Kramp, Reinhold Schneider, Sigrid Undset, Dorothy L. Sayers). Und wieder gefällt die präzise und knappe Form, mit der Hilbert vorgeht und die fern von jedem frömmlerischen Schwulst ist. …
Gemeinsam ist den Porträts, dass der Einbruch des Gottesereignisses nicht als philosophisch-akademisches Angelegenheit geschildert wird, sondern als das, was es ist, ein persönlicher und meist auch erschütternder Wendepunkt in der Existenz …
Am Ende seines sehr zu empfehlenden Buches legt Matthias Hilbert einen nützlichen Exkurs über Georges Bernanos und die anderen Großen des Renouveau catholique vor, der ja europaweit wirkte.
Besprechung von Johannes Blöcher-Weil
Für historisch und literarisch interessierte Menschen ist das neue Buch von Matthias Hilbert fast eine Pflichtlektüre. Der Autor hat wieder etliche Kurzporträts von Dichtern und Autoren verfasst, die ihren Sinn des Lebens bei Gott gefunden haben. …
Dieses Mal startet Hilbert bereits in der Frühgeschichte beim Kirchenvater Augustinus, der eine Kehrtwende vom religiösen Skeptiker und Ketzer zum überzeugten Christen machte. Dass mit diesem Schritt nicht alle Probleme beseitigt sind, verdeutlicht die kurze Biografie. Trotz seiner Anfechtungen geht es Augustinus darum, Gott anzubeten und ihm für die Erlösung durch Jesus zu danken.
Etwas anders gelagert ist der Fall beim britischen Schriftsteller T. S. Elliot. Kaum ein Autor war zu Lebzeiten so verehrt und angesehen wie der Amerikaner. Seine frühen Werke sind eher von einem melancholischen und resignativen Grundton durchzogen. Seine Bekehrung vollzieht sich sukzessive. Der christliche Glaube hatte ihm die befriedigendste Lösung „seiner existenziellen und weltanschaulichen“ Fragen geboten.
Herausgeforderter Glaube im Dritten Reich
Hilbert gelingt es, seinen Lesern auch in diesem Buch ein lebendiges und differenziertes Bild der Protagonisten zu vermitteln. Er erklärt dabei, wie der Glaube die dichterische Arbeit der jeweiligen Autoren beeinflusst hat. Bei jedem seiner Protagonisten schaut er auch in Werke und bemüht Originalquellen, um seine Thesen zu stützen.
Spannend liest sich auch die Lebensgeschichte des protestantischen Dichters Willy Kramp. Hilbert zitiert hierzu aus Quellen, in denen Kramp als Heranwachsender an einem Zeltlager der Nationalsozialisten teilgenommen hat. Dort trifft er auf ein menschenverachtendes Menschenbild. Die Ängste der Nazizeit arbeitet Kramp in seinen Büchern auf. Sich selbst will er nicht als „Mann des Widerstandes“ sehen, da er lediglich um „Befreiung von diesem Übel“ gebetet habe.
Geläufiger dürfte den meisten Lesern der Name des Winnetou-Schöpfers Karl May sein. Geprägt von seiner „weisen und frommen“ Großmutter, ist er als junger Erwachsener hin- und hergerissen zwischen „positiven Taten“ und „destruktiven Verhaltensweisen“. Eine vierjährige Zuchthaus-Strafe hilft ihm bei der Resozialisierung. Es dauert allerdings, bis er zum Erfolgsschriftsteller avanciert. Seine Romane unterfüttert er auch mit moralischen Ansprüchen. Bis zu seinem Tod versteht er sich als Christ, auch wenn viele die „Echtheit“ seines Glaubens anzweifeln.
„Ein Genie begegnet Gott“
Die Bandbreite der beschriebenen Schriftstellerpersönlichkeiten ist groß. Der wohl prominenteste dürfte Blaise Pascal sein. Das Kapitel hat Hilbert mit den Worten „Ein Genie begegnet Gott“ überschrieben. Der Begründer der Experimentalphysik und „Erfinder“ der Wahrscheinlichkeitsrechnung war Zeit seines Lebens von Krankheiten und körperlichen Einschränkungen geplagt. Vor allem nach seiner Bekehrung möchte er „Gott wohlgefällig“ leben. Auch seine körperlichen Schmerzen vertraute er Gott an – „zu seiner Ehre und seinem Heil“.
Aber es lohnt sich auch ein Blick in die Lebensgeschichte der eher unbekannten Namen des Buches. So hatte sich der deutsche Rudolf Alexander Schröder mit 16 Jahren vom Glauben seines Elternhauses abgewandt. In privaten Schicksalsschlägen entdeckt er den Trost, den der christliche Glaube ihm bietet. Die Entmythologisierung und die liberale Theologie lehnte er ab. Er wisse nicht, warum die Geschichten der Bibel „zu frommen Zwecken ausgedachte Märchen“ missbraucht werden sollten.
Im letzten der 14 Porträts widmet sich Hilbert der norwegischen Nobelpreisträgerin Sigrid Undset. Die 1882 geborene norwegische Dichterin wuchs in einem agnostisch geprägten Elternhaus auf, das aber dem Protestantismus Achtung entgegenbrachte. Irgendwann in ihrem Leben erkennt sie, dass Jesus ein „religiöses Genie“ war und dass es mit ihm „mehr auf sich haben könnte“. Für sie hieß dies alsbald eine konsequente Nachfolge …
Wer sich tiefgehender mit den im Buch beschriebenen Dichtern und Denkern beschäftigten möchte, bekommt noch entsprechende Literaturtipps.